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Mathias Henke
Anwaltskanzlei M. Henke & Partner
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RECHTSANWALT – TIPP - ARBEITSRECHT: Gleichbehandlung oder Diskriminierung bei unterschiedlichen Abfindungen wegen Alter und Schwerbehinderung?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem aktuellen Urteil nochmals die Grundsätze wiederholt, nach denen Arbeitnehmer bei betriebsbedingten Kündigungen durchaus in Ansehung von Alter oder Schwerbehinderung unterschiedliche Abfindungen erhalten können (BAG, Urteil vom 07.06.2011, 1 AZR 34/10).

I. Allgemeines zum Gleichbehandlungsgrundsatz bei Abfindungen

Zu den Grundprinzipien des Arbeitsrechts gehört die Pflicht zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer. Dieser allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein Gebot des Gleichheitssatzes des Art. 3 I Grundgesetz und wird von spezialgesetzlichen Benachteiligungsverboten ergänzt, so unter anderem durch das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), in dem insbesondere Diskriminierungen wegen des Geschlechtes oder wegen Schwerbehinderung untersagt werden.

Bei Neuorganisationen von Betrieben, Betriebsstilllegungen bzw. Betriebsänderungen etc. wird nun in der Regel häufig einer Vielzahl von Arbeitnehmern betriebsbedingt gekündigt. Gleichzeitig werden diesen Arbeitnehmern häufig Abfindungen angeboten, die durchaus recht unterschiedlich ausfallen können:

Entweder werden Arbeitnehmer mit eigentlich gleichen Sozialdaten (Alter, Betriebszugehörigkeit etc.) mit überraschend unterschiedlichen Abfindungen individuell bedacht oder aber es werden aufgrund allgemeinen Tarifbestimmungen oder Sozialplänen anhand der Sozialdaten unterschiedliche Abfindungsgruppen gebildet, bei denen sich ebenfalls die Frage stellt, ob diese Einteilung dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht oder aber sogar gegen spezialgesetzliche Diskriminierungsverbote verstößt.

1. Individuelle Abfindungen

Handeln der Arbeitgeber und die einzelnen Arbeitnehmer ihre jeweiligen Abfindungen individuell aus, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Gleichbehandlung: zum einen ergibt sich dies aus dem allgemeinen Grundsatz der Vertragsfreiheit, zum anderen verbietet der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen, was aber eben dann nicht von vornherein gegeben ist, wenn es lediglich einem Arbeitnehmer gelingt, eine höhere Vergütung und eine höhere Abfindung individuell auszuhandeln.

Lediglich in den Fällen, in denen der Arbeitgeber nach einer von ihm selbst aufgestellten abstrakten Regel vorgeht und eben diese Regel eine willkürliche und sachfremde Ungleichbehandlung beinhaltet, kann der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz geltend gemacht werden.

2. Abfindungen gemäß Sozialplänen

Kommt es in größeren Betrieben zu einer Vielzahl von Kündigungen, werden zumeist von Betriebsrat und Arbeitgeber sogenannte Sozialpläne aufgestellt, die die wirtschaftlichen Folgen der Entlassungen sozial und wirtschaftlich abfedern sollen:

Hier wird zum einen anhand von sozialen Kriterien festgelegt, welche Arbeitnehmer konkret entlassen werden (Sozialauswahl), zum anderen werden auch hier die Grundsätze zur Ermittlung einer eventuellen Abfindungshöhe festgelegt, welche zumeist durch die Faktoren Alter und Betriebszugehörigkeit gebildet wird.

3. Rechtswidrigkeit von Sozialplänen bei altersbedingten Abfindungsregeln ?

Anlässlich der Einbeziehung des Faktors Alter in die Errechnung der Abfindungshöhe kann sich nun durchaus die Frage stellen, ob hierbei nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen wird und insbesondere aus Gründen des Alters eine Diskriminierung zu verzeichnen ist.

Der Gesetzgeber hat bei Abfassung des AGG die Problematik durchaus gesehen und in § 10 S.3 AGG bestimmt, dass in Sozialplänen Differenzierungen nach dem Alter vorgenommen werden können und dies in beide Richtungen:

Es können ältere Arbeitnehmer bevorzugt werden, wenn ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch das Alter besonders erheblich gemindert sind.
Es können aber auch ältere Arbeitnehmer benachteiligt werden, wenn feststeht, dass diese durch anschließenden Arbeitsgeldbezug und sich sofort anschließende Rentenberechtigung trotz Kündigung wirtschaftlich weitestgehend abgesichert sind. Wenn "rentennahe" Arbeitnehmer wegen ihrer Rentenansprüche von Entlassungen weniger hart betroffen sind, ist es auch angemessen, wenn sie weniger Abfindung erhalten.
Das BAG hat diesen Grundsatz sogar dahingehend erweitert, dass solche Arbeitnehmer von den Leistungen des Sozialplans vollkommen ausgeschlossen werden können (BAG v. 26.5.2009 -1 AZR 198/08).
Insbesondere der letzte Rechtsgrundsatz führte nunmehr zur aktuellen Entscheidung des BAG in einer Fallgestaltung, in der ein Arbeitnehmer zusätzlich die Diskriminierung wegen Schwerbehinderung geltend machte.

II. Der konkrete Fall: Diskriminierung wegen Schwerbehinderung ?

Ein schwerbehinderter und bereits längere Zeit arbeitsunfähiger Arbeitnehmer erhielt seit Jahren bereits eine befristete Erwerbsminderungsrente. Der Arbeitgeber kündigte ihm und vielen anderen Arbeitnehmern betriebsbedingt. Der geltende Sozialplan sah vor, dass Arbeitnehmer, welche bereits Erwerbsminderungsrente beziehen, eine deutlich geringere Abfindung erhalten als andere Arbeitnehmer, da sie weniger künftige finanzielle Einbußen zu erwarten haben. Der betroffene Arbeitnehmer klagte die Abfindungsdifferenz ein.

Das BAG hatte nun zu entscheiden, ob die Sozialplan-Regelung, welche eine geringere Abfindung wegen des Anspruches eines schwerbehinderten Arbeitnehmers auf Erwerbsminderungsrente vorsieht, eine behinderungsbedingte Abfindungsdiskriminierung darstellt.

Die Richter des BAG sahen in der getroffenen Sozialplanregelung aber keinerlei Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder das AGG

Im Rahmen eines Sozialplanes sei es zulässig, die wirtschaftlichen Folgen einer Kündigung zum Maßstab der Abfindungshöhe zu machen. Daher sei es auch zulässig, Arbeitnehmer, welche wegen der bereits bestehenden Erwerbsminderungsrente finanziell weniger getroffen würden, entsprechend bei der Abfindungshöhe zu benachteiligen. Auch die Befristung der Erwerbsminderungsrente spreche hiergegen nicht, da die Parteien des Sozialplanes typisierend davon ausgehen können, das die Arbeitsunfähigkeit bei solchen Arbeitnehmern und damit auch der Rentenbezug auf zunächst nicht absehbare Zeit fortbesteht. Eine Diskriminierung wegen Schwerbehinderung scheide daher auch deshalb aus, da die Schlechterstellung sich nicht aus der Schwerbehinderung sondern eben aus den besseren wirtschaftlichen Erwartungen aufgrund des zukünftigen Rentenbezuges ergäbe.

III. Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht bleibt seiner Richtung treu: der Ausschluss oder zumindest die weitergehende Minderung von Abfindungen durch einen Sozialplan kann sowohl in Ansehung des Alter als auch in Ansehung einer Schwerbehinderung vorgenommen werden. Es stellt weder eine unmittelbare Diskriminierung wegen Alters noch wegen Schwerbehinderung dar, wenn der Sozialplan die künftigen wirtschaftlichen Nachteile einer Kündigung ausgleichen will und hierbei lediglich mittelbar ältere oder schwer behinderte Arbeitnehmer nachteilig stärker trifft.

IV. Bewertung

Eine vollkommen zutreffende Entscheidung:

Wie so oft bei angeblichen Benachteiligungen und Diskriminierungen gilt der Grundsatz: „Nicht überall, wo Alter, Geschlecht und Schwerbehinderung draufsteht, ist auch Diskriminierung drin“.

Auch im vorliegenden Fall wurde offensichtlich der Umstand der Schwerbehinderung vordergründig zum Anlass genommen, eine Diskriminierung zu postulieren, die objektiv betrachtet jedoch nirgends ernsthaft in Sicht war: es war offensichtlich, dass die getroffene Sozialplanregelung weder gegen ältere Arbeitnehmer, noch gegen schwerbehinderte Arbeitnehmer gerichtet war. Sie sollte lediglich wirtschaftliche Nachteile ausgleichen. Dass die Arbeitnehmer, die bereits eine Erwerbsminderungsrente beziehen, hier nunmals besser gestellt sind und von daher weniger Abfindung benötigen, ist sachgerecht und liegt eigentlich auf der Hand.

Rechtsanwalt Mathias Henke -Dortmund-
 
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