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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.05.2025, Az.: 10 SLa 693/24
Schlagworte/Normen:
Krankengeld; Regelungslücke; Tarifauslegung; Tarifvertrag; Teilzeitarbeit; Ungleichbehandlung; Berechnung des Krankengeldzuschusses nach dem MTV für die Beschäftigten der Medizinischen Dienste (TV MD) für privat krankenversicherte Teilzeitarbeitnehmer
Leitsatz:
1.) § 22 TV MD ist nicht ergänzend dahin auszulegen, dass bei Teilzeitbeschäftigten der bei der Berechnung des Krankengeldzuschusses zugrunde zu legende Krankengeldhöchstsatz entsprechend der verminderten Arbeitszeit zu verringern wäre.
2.) Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art.9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine ergänzende Auslegung eines Tarifvertrags scheidet daher aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht. Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist.
3.) Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 TzBfG untersagt ausschließlich die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, wenn sie auf die Teilzeitarbeit an sich zurückzuführen ist. Ist die Ungleichbehandlung demgegenüber anders als mit der Dauer der Arbeitszeit zu begründen, liegt keine Benachteiligung wegen der Teilzeitarbeit vor.
Siehe:
https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/3bb99d33-4f18-4f03-9cc9-f223776b31ef
II.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Beschl. v. 11.05.2025, Az.: 26 Sa 663/24
Schlagworte/Normen:
§ 63 GKG, § 42 GKG
Leitsatz:
1) Auf den Zeitraum ab Einreichung der Klage ist auch für die Wertfestsetzung im Berufungsverfahren abzustellen. Nach § 47 GKG bestimmt sich der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Gemäß § 40 GKG ist für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.
2) Für eine Eingruppierungsstreitigkeit, mit der die klagende Partei Vergütungsdifferenzen geltend macht, ist insoweit weiterhin – wie erstinstanzlich - auf den Zeitraum ab Klageeinreichung abzustellen, nicht auf einen Zeitraum ab Eingang der Berufung. Maßgeblich ist auch in der Berufungsinstanz das wirtschaftliche Interesse ab Eingang der Klage.
3) Wegen der §§ 40, 47 GKG und § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG ist es allerdings im Berufungsverfahren zu berücksichtigen, wenn der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen in der Berufungsinstanz geringer ist als der dreijährige Differenzbetrag. Das ist zB. der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf eines Zeitraums von drei Jahren nach Klageeinreichung vor dem Eingang der Berufung oder während des Berufungsverfahrens beendet wird und das bei Einreichung der Berufung bereits bekannt gewesen bzw. mitgeteilt worden ist.
4) In diesem Fall ist allerdings auch ein Zeitraum von bis zu drei Jahren vor Eingang der Klage zu berücksichtigen, soweit ein dreijähriger Vergütungsdifferenzbetrag insgesamt nicht überschritten wird. Wie auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2002 (3 AZR 197/02 (A), Rn. 5) deutlich macht, findet eine Begrenzung auf die ab Einreichung der Klage begehrte Vergütungsdifferenz nicht zwangsläufig statt, sondern nur dann, wenn insgesamt eine über den dreijährigen Differenzbetrag hinausgehende Leistung begehrt wird.
Siehe:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/NJRE001609793
III.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 3. Juni 2025 – 9 AZR 104/24
Schlagworte/Normen:
Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich
Volltext PE:
Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann ein Arbeitnehmer selbst durch gerichtlichen Vergleich nicht auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub „verzichten“.
Die Parteien streiten über die Abgeltung von sieben Tagen gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023. Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. Januar 2019 bis zum 30. April 2023 als Betriebsleiter beschäftigt. Im Jahr 2023 war er von Beginn an bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und deshalb nicht in der Lage, seinen Urlaub aus diesem Jahr in Anspruch zu nehmen.
In einem gerichtlichen Vergleich vom 31. März 2023 verständigten sich die Parteien ua. darauf, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung iHv. 10.000,00 Euro durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 30. April 2023 endet. Ziffer 7 des Vergleichs lautet: „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“ In der dem Vergleichsschluss vorausgehenden Korrespondenz zwischen den Parteien hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichtet werden könne, sich später aber unter Hinweis auf die geäußerten rechtlichen Bedenken gleichwohl mit dem Vergleich einverstanden erklärt.
Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten verlangt, die noch offenen sieben Tage gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023 mit einem Betrag iHv. 1.615,11 Euro nebst Zinsen abzugelten. Der im gerichtlichen Vergleich geregelte Verzicht auf den unabdingbaren Mindesturlaub sei unwirksam. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Revision der Beklagten – mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der Zinsforderung – zurückgewiesen.
Der Kläger hat gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf Abgeltung seines nicht erfüllten gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023. Der Urlaubsanspruch ist nicht durch Ziffer 7 des Prozessvergleichs vom 31. März 2023 erloschen. Die Vereinbarung, Urlaubsansprüche seien in natura gewährt, ist gemäß § 134 BGB unwirksam, soweit sie einen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unzulässigen Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubs regelt. Weder der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub noch ein erst künftig – mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – entstehender Anspruch auf Abgeltung gesetzlichen Mindesturlaubs darf im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dies gilt selbst dann, wenn bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung regelt, bereits feststeht, dass der Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindesturlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Der bezahlte Mindesturlaub darf nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Im bestehenden Arbeitsverhältnis darf der Arbeitnehmer somit nicht gegen und erst recht nicht ohne finanziellen Ausgleich auf den gesetzlichen Mindesturlaub „verzichten“.
Ziffer 7 des Prozessvergleichs enthält keinen Tatsachenvergleich, auf den § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG nicht anzuwenden wäre. Ein solcher setzt voraus, dass eine bestehende Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll. Angesichts der seit Anfang des Jahres 2023 durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestand vorliegend kein Raum für eine Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen des Urlaubsanspruchs.
Der Einwand der Beklagten, dem Kläger sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit des Anspruchsausschlusses zu berufen, blieb erfolglos. Die Beklagte durfte nicht auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertrauen.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/kein-urlaubsverzicht-durch-prozessvergleich/
IV.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.05.2025, Az.: 10 SLa 802/24
Schlagworte/Normen:
Garantie; Haftung; Insolvenzverwalter; Masseunzulänglichkeit; Masseverbindlichkeit; Pflichtverletzung; Verschulden bei Vertragsschluss; persönliche Haftung für Arbeitsentgelt; Voraussetzungen einer Garantieerklärung
Leitsatz:
1.) § 61 InsO regelt ausschließlich die Haftung des Insolvenzverwalters für die pflichtwidrige Begründung von Masseverbindlichkeiten. Aus der Vorschrift ist kein Anspruch auf Ersatz eines Schadens herzuleiten, der auf einem späteren Verhalten des Insolvenzverwalters beruht. Sie legt keine insolvenzspezifischen Pflichten für die Zeit nach Begründung einer Verbindlichkeit fest. Der Verwalter haftet nicht für die Nichterfüllung der ohne seine Beteiligung entstandenen Masseforderungen, der sogenannten oktroyierten Forderungen, weil er auf die Entstehung und Höhe dieser Verbindlichkeiten keinen Einfluss hat.
2.) § 60 Abs. 1 InsO sanktioniert nur die Verletzung solcher Pflichten, die den Insolvenzverwalter in dieser Eigenschaft nach den Vorschriften der Insolvenzordnung treffen. Dadurch wird der Gefahr einer ausufernden Haftung des Insolvenzverwalters vorgebeugt. Dazu gehören keine solchen Pflichten, die ihn wie jeden Vertreter fremder Interessen gegenüber Dritten treffen. Nicht insolvenzspezifisch sind außerdem im Allgemeinen Pflichten, die dem Insolvenzverwalter als Verhandlungs- und Vertragspartner des Dritten auferlegt sind.
3.) Der Insolvenzverwalter hat sämtliche einem Arbeitgeber obliegenden Pflichten zu erfüllen. Erfüllt er diese Verbindlichkeiten während seiner Amtstätigkeit schlecht, nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht, sind die daraus folgenden Schadensersatzansprüche lediglich Masseverbindlichkeiten. Sind die Tatbestände der §§ 61 und 60 InsO nicht erfüllt, kommt eine persönliche Haftung des Verwalters nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa dann, wenn er eigene vertragliche Pflichten übernimmt oder in besonderem Maß persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt.
Siehe:
https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/7ed8848f-a9b2-4155-be55-48a7f109a653
V.
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 4.06.2025 – 4 S 16/25
Schlagworte/Normen:
Entlassung eines Beamten auf Probe; Beteiligung des Personalrats; Maßstab für eine erneute Beteiligung der Personalvertretung im Widerspruchsverfahren; Freispruch während des laufenden Vorverfahrens; Änderung des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts; Austausch der Entlassungsgründe und der Bewertungsgrundlage
Leitsatz:
1. Für die Frage, in welchen Fällen eine erneute Beteiligung der Personalvertretung erforderlich ist, kommt es nicht in erster Linie auf das Informationsrecht der Personalvertretung, sondern auf den im Zuge der Unterrichtung nach § 79 Abs. 2 Satz 1 PersVG seitens der Dienststelle gegenüber der Personalvertretung mitgeteilten und somit eingegrenzten wesentlichen Lebenssachverhalt und den geltend gemachten Entlassungsgrund an.
2. Es ist nicht Sache der Personalvertretung, aus einem ihr übermittelten Verwaltungsvorgang alle in Frage kommenden Tatsachen herauszusuchen und daraufhin zu überprüfen, ob sie jede für sich oder kumulativ einen oder mehrere der in § 23 Abs. 3 BeamtStG genannten Entlassungsgründe tragen würden. Diese Entscheidungen obliegen der Dienststelle als Verantwortliche für die von ihr beabsichtigte Maßnahme.
Siehe:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/NJRE001610858
VI.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 18. Juni 2025 – 7 AZR 50/24
Schlagworte/Normen:
Befristetes Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds – Benachteiligungsverbot
Volltext PE:
Ein nach Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) zulässig befristetes Arbeitsverhältnis endet auch dann mit Ablauf der vereinbarten Befristung, wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich in den Betriebsrat gewählt worden ist. Benachteiligt der Arbeitgeber allerdings das befristet beschäftigte Betriebsratsmitglied, indem er diesem wegen des Betriebsratsmandats keinen Folgevertrag anbietet, hat das Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf den Abschluss des verweigerten Folgevertrags als Schadensersatz.
Die beklagte Arbeitgeberin erbringt logistische Dienstleistungen. Sie schloss mit dem Kläger Anfang des Jahres 2021 einen zunächst auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag, welcher später um ein weiteres Jahr bis zum 14. Februar 2023 verlängert wurde. Im Sommer 2022 wurde der Kläger in den Betriebsrat gewählt. Von 19 Arbeitnehmern der Beklagten, die einen am 14. Februar 2023 auslaufenden befristeten Arbeitsvertrag hatten, erhielten 16 das Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags. Der Kläger erhielt dieses Angebot nicht. Mit seiner Klage hat er sich gegen die Wirksamkeit der Befristung gewandt und hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags ab dem 15. Februar 2023 zu den bisherigen Bedingungen verlangt. Er hat geltend gemacht, die unterbliebene „Entfristung“ seines Arbeitsverhältnisses beruhe allein auf seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat. Zwar habe die Beklagte mit anderen Betriebsratsmitgliedern unbefristete Arbeitsverträge geschlossen, diese hätten aber anders als der Kläger nicht auf der Gewerkschaftsliste für den Betriebsrat kandidiert. Die Beklagte hat sich demgegenüber darauf berufen, sie sei mit der Arbeitsleistung und dem persönlichen Verhalten des Klägers nicht so zufrieden gewesen, dass sie das Arbeitsverhältnis habe unbefristet fortführen wollen. Die Betriebsratstätigkeit des Klägers habe bei ihrer Entscheidung keine Rolle gespielt.
Die Vorinstanzen haben die Befristung des Arbeitsvertrags als wirksam angesehen und das unterlassene Angebot eines unbefristeten Folgevertrags nicht auf das Betriebsratsamt des Klägers zurückgeführt. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der Senat hat seine Entscheidungen vom 5. Dezember 2012 (- 7 AZR 698/11 -) und vom 25. Juni 2014 (- 7 AZR 847/12 -) bestätigt, wonach die Wahl eines befristet beschäftigten Arbeitnehmers in den Betriebsrat keine Unwirksamkeit der Befristung bedingt. Eine solche Annahme ist auch durch das Recht der Europäischen Union nicht zwingend vorgegeben. Das einzelne Betriebsratsmitglied ist durch die Vorschrift des § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), wonach es in der Ausübung seiner Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden darf, hinreichend geschützt. Im vorliegenden Fall hat sich das Landesarbeitsgericht im Zusammenhang mit der Abweisung des Schadensersatzanspruchs in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise unter Würdigung des wechselseitigen Vortrags der Parteien die Überzeugung gebildet, dass die Beklagte dem Kläger den Abschluss eines unbefristeten Folgevertrags nicht wegen dessen Betriebsratstätigkeit verweigert hatte.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/befristetes-arbeitsverhaeltnis-eines-betriebsratsmitglieds-benachteiligungsverbot/
VII.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschl. v. 2.05.2025, Az.: 10 Sa 29/25
Schlagworte/Normen:
§ 62 Abs 1 S 2 ArbGG, § 62 Abs 1 S 3 ArbGG, § 719 Abs 1 S 1 ZPO, § 707 Abs 1 ZPO, § 767 ZPO, § 769 ZPO
Leitsatz:
1.Macht die Arbeitgeberin geltend, dass dem erstinstanzlich ausgeurteilten Weiterbeschäftigungsanspruch eine weitere, nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ausgesprochene Kündigung entgegensteht, kann die Zwangsvollstreckung nur dann einstweilen eingestellt werden, wenn diese ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (im Anschluss an LAG München 05.03.2018 - 4 Sa 823/17 -).
2. Eine analoge Anwendung des § 769 ZPO scheidet ebenso aus wie eine teleologische Reduktion von § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.
Siehe:
https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/NJRE001610496
VIII.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urt. v. 27.05.2025, Az.: 3 SLa 614/24
Schlagworte/Normen:
Auflösende Bedingung - Schriftform - Ligaklausel im Profi-Handball
Leitsatz:
1. Die Vereinbarung einer sogenannten Ligaklausel, nach der der Arbeitsvertrag im Falle des Abstiegs aus der 1. (Handball-) Bundesliga automatisch endet, bedarf - da es sich um die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung handelt - zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
2. Nutzt eine GmbH, die den Spielbetrieb der 1. Herrenmannschaft eines Handballbundesliga-Vereins durchführt, in einem Arbeitsvertrag mit dem Handballtrainer (mit Ligaklausel) ein Formular mit zwei Unterschriftenfeldern für ihre beiden einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer (inkl. Namensnennung nebst Funktionsbezeichnung), so kann dies nur so verstanden werden, dass beide Felder mit entsprechenden Unterschriften zu versehen sind. Durch ein leer bleibendes Unterschriftsfeld eines Geschäftsführers erweckt der Arbeitsvertrag den Eindruck der Unvollständigkeit. Ergeben sich auch sonst keine hinreichenden Anhaltspunkte aus dem Vertragsformular, die eine sichere Abgrenzung zu einem bloßen Vertragsentwurf ermöglichen, mangelt es an der Schriftform. Rechtsfolge dessen ist die Nichtigkeit der Bedingungsabrede (Ligaklausel).
3. Dieses Problem der Schriftform ist von der Frage einer wirksamen Stellvertretung und hinreichenden (Einzel-) Vertretungsberechtigung zu unterscheiden. Die Vertretungsmacht heilt keinen Formverstoß.
Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/duesseldorf/lag_duesseldorf/j2025/3_SLa_614_24_Urteil_20250527.html
Neu eingestellte Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein:
keine
Sonstiges:
I.
Bundesverwaltungsgericht
BVerwG 2 WD 14.24 - Urteil vom 22. Januar 2025 – veröffentlicht am 13.06.2025
Schlagworte/Normen:
Soldaten und Ehebruch
Volltext PE:
Der 2. Wehrdienstsenat hat entschieden, dass die Beteiligung eines Soldaten am Ehebruch zu Lasten eines anderen Soldaten disziplinarrechtliche Konsequenzen haben kann. Dem Urteil lag der Fall eines Hauptfeldwebels zu Grunde, der mit der Ehefrau eines befreundeten Mannschaftssoldaten desselben Bataillons ein Verhältnis angefangen und mit ihr in der ehelichen Wohnung Geschlechtsverkehr hatte, kurz nachdem ihr Ehemann in vorläufiger Trennungsabsicht ausgezogen war. Der Hauptfeldwebel beendete die Beziehung wenige Wochen später. Die Ehe des Mannschaftssoldaten scheiterte.
Das Truppendienstgericht hat gegen den Hauptfeldwebel wegen Verletzung seiner Kameradschaftspflicht ein Beförderungsverbot mit Bezügekürzung ausgesprochen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die zu Gunsten des Soldaten eingelegte Berufung der Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft überwiegend zurückgewiesen, den Fall aber etwas milder bewertet und eine mehrmonatige Kürzung der Dienstbezüge verhängt.
In der Urteilsbegründung wird betont, dass die Kameradschaft in der Bundeswehr nicht nur eine ethische Kategorie, sondern eine im Soldatengesetz vorgeschriebene Rechtspflicht ist. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 12 SG beruht der Zusammenhalt in der Bundeswehr wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Dies schließt gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen ein.
Der vom Gesetz geforderte Respekt vor den Rechten des Kameraden wird bei der Beteiligung an dem Ehebruch nicht gewahrt. Die Ehe von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts ist nach § 1353 BGB eine auf Lebenszeit geschlossene Gemeinschaft, die mit dem wechselseitigen Anspruch auf eheliche Treue verbunden ist. Der Gesetzgeber hat mit der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft an diesem Ehebild festgehalten und die eheliche Treue als Wesensmerkmal der Ehe bezeichnet (BT-Drs. 7/4361 S. 7). Der Charakter der ehelichen Treue als gesetzliches Recht besteht unabhängig davon, dass eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs ausgeschlossen ist und dass zivilrechtliche Sanktionen bei Eheverfehlungen nur selten und bei Hinzutreten weiterer Umstände – etwa bei Störungen des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe – ausgesprochen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 – XII ZB 45/13 – NJW 2014, 1243 f.).
Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ist gerechtfertigt, weil die Beteiligung am Ehebruch eine Missachtung eines Kameradenrechts im Sinne des § 12 SG ist und regelmäßig negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb hat. Die Missachtung der Ehe kann ebenso wie die Verletzung anderer Rechte des Kameraden das alltägliche Leben in der militärischen Gemeinschaft massiv belasten und die Bereitschaft, in Krisensituationen füreinander einzustehen, gefährden. Kaum ein anderes Verhalten zum Nachteil eines Kameraden ist stärker geeignet, Spannungen, Unruhe und Misstrauen nicht nur zwischen den Beteiligten, sondern in der Truppe allgemein auszulösen und damit den Zusammenhalt der Soldaten untereinander zu stören. Deshalb wird auch in anderen Ländern – etwa in der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika – die Beteiligung am Ehebruch disziplinarrechtlich geahndet.
Das Bundesverwaltungsgericht hat an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, dass bei der Beteiligung am Bruch einer Kameradenehe grundsätzlich ein Beförderungsverbot in den Blick zu nehmen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.Februar 1982 – BVerwG 2 WD 50.81 juris Rn. 31 und vom 16. April 2002 – BVerwG 2 WD 43.01 – NJW 2002, 3722 Rn. 11). Im Hinblick auf den dienstlichen Schutzzweck der Disziplinarmaßnahme ist dies allerdings nur verhältnismäßig, wenn – wie hier – zwischen den beteiligten Soldaten ein räumlich-dienstliches Näheverhältnis bestand und deswegen konkret nachteilige Auswirkungen auf den Dienstbetrieb drohten.
Eine Milderung der Maßnahme war im vorliegenden Fall nicht deswegen veranlasst, weil der Ehebruch erst nach der räumlichen Trennung der Ehegatten stattfand. Denn die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft erlischt nicht schon mit dem Tag der Trennung, sondern erst wenn die Ehe gescheitert ist (§ 1352 Abs.2 BGB), d.h. wenn nicht mehr erwartet werden kann, dass die Ehegatten ihre Lebensgemeinschaft wiederherstellen (§ 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Voraussetzung war wenige Tage nach der räumlichen Trennung ersichtlich nicht erfüllt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem angeschuldigten Hauptfeldwebel jedoch zu Gute gehalten, dass er sich diesbezüglich in einem – wenn auch vermeidbaren – Verbotsirrtum befand und dass er konstant gute dienstliche Leistungen erbrachte. Daher erschien eine Bezügekürzung am untersten Rand des gesetzlichen Rahmens ausreichend und angemessen.
Siehe:
https://www.bverwg.de/pm/2025/44
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
VDAA – Präsident
VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.
Gerokstr. 8 70188 Stuttgart
Telefon: (0711) 3058 9320Telefax: (0711) 3058 9311
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