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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten

zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart




I.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 10. Oktober 2023 – 3 AZR 250/22

Schlagworte/Normen:

Betriebliche Invaliditätsrente und Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Volltext PE:

Der eine betriebliche Invaliditätsrente zusagende Arbeitgeber darf die Leistung in einer Versorgungsordnung, die für eine Vielzahl vorformulierte Vertragsbedingungen (AGB) enthält, grundsätzlich davon abhängig machen, dass der Arbeitnehmer eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente bezieht und rechtlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.
Nach § 7 Abs. 4 der Zusatzversorgungsordnung der Arbeitgeberin (§ 7 Abs. 4 ZVO) erhält ein Mitarbeiter Ruhegeld, der wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und aus den Diensten des Arbeitgebers ausscheidet. Aufgrund Bescheids der Deutschen Rentenversicherung Bund vom Januar 2021 bezog der Kläger auf seinen Antrag vom Mai 2020 mit Wirkung des 1. November 2020 befristet bis zum 31. August 2022 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Schreiben vom 19. Januar 2021 wandte er sich unter Vorlage des Bescheids an die Beklagte und beantragte die Gewährung der betrieblichen Invaliditätsrente ab Januar 2021. Am 20. August 2021 kündigte er sein Arbeitsverhältnis zum 31. März 2022. Ab April 2022 leistete die Beklagte das Ruhegeld. Der Kläger hat geltend gemacht, ihm stehe bereits ab Januar 2021 das betriebliche Ruhegeld zu. § 7 Abs. 4 ZVO setze nicht eindeutig das rechtliche Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis voraus. Jedenfalls sei die Regelung unwirksam, da er unzumutbar gezwungen werde, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, um in den Genuss des Ruhegelds zu kommen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts blieb erfolglos.
Die Auslegung des § 7 Abs. 4 ZVO als AGB ergab, dass die ZVO das rechtliche Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis für einen Anspruch auf das betriebliche Ruhegeld voraussetzt. Die der Inhaltskontrolle unterliegende Regelung benachteiligt den Kläger auch nicht unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Es ist im Grundsatz nicht unzumutbar, die Zahlung einer betrieblichen Invaliditätsrente davon abhängig zu machen, dass eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente bewilligt und das Arbeitsverhältnis beendet ist. Unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen wird dadurch kein unzumutbarer Druck auf den Arbeitnehmer zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt.

Siehe:

https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/betriebliche-invaliditaetsrente-und-beendigung-des-arbeitsverhaeltnisses/

II.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 18. Oktober 2023 – 5 AZR 22/23

Schlagworte/Normen:

Arbeit auf Abruf - Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit

Volltext PE:

Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer Arbeit auf Abruf, legen aber die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht fest, gilt grundsätzlich nach § 12 Abs. 1 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart. Eine Abweichung davon kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Parteien hätten bei Vertragsschluss übereinstimmend eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit gewollt.
Die Klägerin ist seit dem Jahr 2009 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Druckindustrie, als „Abrufkraft Helferin Einlage“ beschäftigt. Der von ihr mit einer Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag enthält keine Regelung zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit. Die Klägerin wurde – wie die übrigen auf Abruf beschäftigten Arbeitnehmerinnen – nach Bedarf in unterschiedlichem zeitlichen Umfang zur Arbeit herangezogen. Nachdem sich der Umfang des Abrufs ihrer Arbeitsleistung ab dem Jahr 2020 im Vergleich zu den unmittelbar vorangegangenen Jahren verringerte, hat die Klägerin sich darauf berufen, ihre Arbeitsleistung sei in den Jahren 2017 bis 2019 nach ihrer Berechnung von der Beklagten in einem zeitlichen Umfang von durchschnittlich 103,2 Stunden monatlich abgerufen worden. Sie hat gemeint, eine ergänzende Vertragsauslegung ergebe, dass dies die nunmehr geschuldete und von der Beklagten zu vergütende Arbeitszeit sei. Soweit der Abruf ihrer Arbeitsleistung in den Jahren 2020 und 2021 diesen Umfang nicht erreichte, hat sie Vergütung wegen Annahmeverzugs verlangt.
Das Arbeitsgericht hat, ausgehend von der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG angenommen, die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit im Abrufarbeitsverhältnis der Parteien betrage 20 Stunden. Es hat deshalb der Klage auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung nur in geringem Umfang insoweit stattgegeben, als in einzelnen Wochen der Abruf der Arbeitsleistung der Klägerin 20 Stunden unterschritten hatte. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin, mit der sie an ihren weitergehenden Anträgen festgehalten hat, blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos.
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf), müssen sie nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG arbeitsvertraglich eine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festlegen. Unterlassen sie das, schließt § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG diese Reglungslücke, indem kraft Gesetzes eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart gilt. Eine davon abweichende Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG im betreffenden Arbeitsverhältnis keine sachgerechte Regelung ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten bei Vertragsschluss bei Kenntnis der Regelungslücke eine andere Bestimmung getroffen und eine höhere oder niedrigere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart. Für eine solche Annahme hat die Klägerin jedoch keine Anhaltspunkte vorgetragen.
Wird die anfängliche arbeitsvertragliche Lücke zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bei Beginn des Arbeitsverhältnisses durch die gesetzliche Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG geschlossen, können die Parteien in der Folgezeit ausdrücklich oder konkludent eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbaren. Dafür reicht aber das Abrufverhalten des Arbeitgebers in einem bestimmten, lange nach Beginn des Arbeitsverhältnisses liegenden und scheinbar willkürlich gegriffenen Zeitraum nicht aus. Allein dem Abrufverhalten des Arbeitgebers kommt ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert dahingehend, er wolle sich für alle Zukunft an eine von § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG abweichende höhere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit binden, nicht zu. Ebenso wenig rechtfertigt allein die Bereitschaft des Arbeitnehmers, in einem bestimmten Zeitraum mehr als nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG geschuldet zu arbeiten, die Annahme, der Arbeitnehmer wolle sich dauerhaft in einem höheren zeitlichen Umfang als gesetzlich vorgesehen binden.

Siehe:

https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/arbeit-auf-abruf-dauer-der-woechentlichen-arbeitszeit/


III.
Europäische Gerichtshof (EuGH)
Urteil vom 19.10.2023 in der Rechtssache C-660/20 | Lufthansa CityLine.

Schlagworte/Normen:

Teilzeitbeschäftigte - Vergütung wegen Überschreitung einer bestimmten Zahl an Arbeitsstunden

Volltext PE:

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat soeben entschieden, dass Teilzeitbeschäftigte nicht schlechter behandelt werden dürfen, wenn es darum geht, eine erhöhte Vergütung wegen Überschreitung einer bestimmten Zahl an Arbeitsstunden zu erhalten.
Ein deutscher Pilot arbeitet für Lufthansa CityLine als Teilzeitbeschäftigter. Sein Arbeitsvertrag sieht vor, dass er eine Grundvergütung erhält, die sich an der Flugdienstzeit orientiert. Darüber hinaus kann er eine zusätzliche Vergütung erhalten, wenn er eine bestimmte Zahl an Flugdienststunden im Monat leistet und dabei Schwellenwerte überschreitet, die zu diesem Zweck vertraglich festgelegt sind. Diese Schwellenwerte sind allerdings für vollzeitbeschäftigte Piloten und für teilzeitbeschäftigte Piloten gleich.
Der Pilot ist der Auffassung, dass die Schwellenwerte unter Berücksichtigung der von ihm geleisteten Stundenzahl aufgrund seiner Teilzeittätigkeit herabzusetzen seien. Ihm erwachse mit Überschreitung der so genannten Auslösegrenzen, wenn diese im Verhältnis zur geleisteten Arbeitszeit herabgesetzt seien, ein Anspruch auf die zusätzliche Vergütung.
Das mit dem Rechtsstreit zwischen dem Piloten und Lufthansa CityLine befasste deutsche Bundesarbeitsgericht hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof gerichtet.
Es möchte wissen, ob eine nationale Regelung, nach der ein Teilzeitbeschäftigter die gleiche Zahl Arbeitsstunden wie ein Vollzeitbeschäftigter leisten muss, um eine zusätzliche Vergütung zu erhalten, eine Diskriminierung darstellt, die nach dem Unionsrecht verboten ist.
Der Gerichtshof bejaht dies. Er stellt zunächst fest, dass die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer während der Zeit ihrer Beschäftigung die gleichen Aufgaben wahrnehmen wie die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer oder die gleiche Arbeitsstelle wie diese bekleiden. Damit ist die Situation beider Arbeitnehmerkategorien vergleichbar. Das nationale Gericht wird diesen Aspekt jedoch zu überprüfen haben. Der Gerichtshof stellt sodann fest, dass das Bestehen identischer Schwellenwerte für die Auslösung einer zusätzlichen Vergütung für teilzeitbeschäftigte Piloten gemessen an ihrer Gesamtarbeitszeit einen längeren Flugstundendienst als für vollzeitbeschäftigte Piloten bedeutet. Teilzeitbeschäftigte Piloten werden damit in höherem Maß belastet und werden die Anspruchsvoraussetzungen für die zusätzliche Vergütung weitaus seltener erfüllen als ihre vollzeitbeschäftigten Kollegen. Der Gerichtshof urteilt daher, dass eine solche nationale Regelung zu einer schlechteren Behandlung der teilzeitbeschäftigten Piloten führt, was gegen das Unionsrecht verstößt, es sei denn, diese Behandlung ist durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Das nationale Gericht ist aufgerufen, auch letzteren Aspekt zu prüfen. Dabei wird es die entsprechenden Erwägungen des Gerichtshofs zu berücksichtigen haben, der Vorbehalte gegenüber den Rechtfertigungsgründen äußert, die insbesondere von der Fluggesellschaft vorgebracht werden.

Siehe:

https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2023-10/cp230158de.pdf

IV.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss vom 14.3.2023, 15 TaBV 1/22 – veröffentlicht am 6.10.2023

Schlagworte/Normen:

Betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einem Betrieb bei mehreren Betrieben eines Unternehmens - Eingliederung eines Arbeitnehmers in mehrere Betriebe (hier abgelehnt) – Querschnittsfunktion
Leitsätze:
1. Bestehen in einem Unternehmen mehrere Betriebe und ist ein Arbeitnehmer in einen dieser Betriebe eingegliedert, löst nicht schon eine Vor- oder Zuarbeit dieses Arbeitnehmers für den arbeitstechnischen Zweck eines anderen Betriebs die zusätzliche Eingliederung dieses Arbeitnehmers in den anderen Betrieb aus. Erforderlich für die zusätzliche Eingliederung in den anderen Betrieb ist vielmehr eine regelmäßige Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern dieses anderen Betriebs (Anschluss an BAG 14.06.2022 - 1 ABR 13/21).
2. Die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung eines Arbeitnehmers ist im Falle mehrerer Betriebe eines Unternehmens zwar nicht auf den Betrieb beschränkt, in dem der Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers liegt. Jedoch bewirken Arbeiten eines Arbeitnehmers für einen weiteren Betrieb nicht bereits seine zusätzliche Eingliederung in diesen weiteren Betrieb, wenn diese Arbeiten seine Tätigkeit nur in einem Randaspekt gestalten. Die durch eine betriebsverfassungsrechtliche Mehrfachzuordnung entstehenden hochkomplizierten betriebsverfassungsrechtlichen Folgeprobleme führen zu einer Erschwerung der Anwendung des Betriebsverfassungsrechts, der in solchen Konstellationen kein beachtlicher Vorteil gegenüberstünde.

Siehe:

http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2023&Seite=2&nr=39122&pos=20&anz=34

V.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss vom 22.9.2023, 7 Ta 1/22 – veröffentlicht am 6.10.2023

Schlagworte/Normen:

Meistbegünstigungsgrundsatz - Einstufung der Geheimhaltungsbedürftigkeit und Vorabverfahren – Geschäftsgeheimnis

Leitsätze:

1. Beantragt eine Partei, streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise nach § 16 Abs. 1 GeschGehG als geheimhaltungsbedürftig einzustufen, ist hierüber vorab durch Beschluss zu entscheiden.
2. Verstößt das Arbeitsgericht hiergegen und erlässt ein Endurteil, ist nach Maßgabe des Meistbegünstigungsgrundsatzes, sofern die Einstufung als geheimhaltungsbedürftig zweitinstanzlich weiterverfolgt wird, eine eingelegte Berufung in Bezug auf den Einstufungsantrag in das Beschwerdeverfahren überzuleiten und im Übrigen die Berufung bis zur nicht anfechtbaren Entscheidung über den Einstufungsantrag auszusetzen.
3. Der auf das insoweit als sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel ergangene Beschluss ist nicht isoliert anfechtbar, sondern nur gemeinsam mit dem Rechtsmittel der Hauptsache.
4. Soweit zugleich beantragt wird, die Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung auszuschließen, ist dieses weitere Begehren nicht vom Vorabverfahren nach § 20 GeschGehG erfasst.
5. Für den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit im zweitinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren ist auf § 52 ArbGG in Verbindung mit § 64 Abs. 7 ArbGG zurückzugreifen.
6. Ein Einstufungsantrag nach § 16 Abs. 1 GeschGehG ist nur statthaft, wenn der Antragsteller eine Geschäftsgeheimnisstreitsache mit den sich aus Abschnitt 2 des GeschGehG ergebenden Streitigkeiten verfolgt.
7. Es genügt als tatbestandliche Voraussetzung, dass die streitgegenständlichen als geheimhaltungsbedürftig einzustufenden Informationen im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG ein Geschäftsgeheimnis sein können. Das folgt aus der richtlinienkonformen Auslegung des Art. 9 Abs. 1 (EU) 2016/943 vom 08.06.2016 (ABl. L 157 vom 15.06.2016, S. 1). Dementsprechend reicht es aus, dass für das Vorliegen eines solchen Geschäftsgeheimnisses eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht (Prognoseentscheidung).
8. Liegt danach ein mögliches Geschäftsgeheimnis vor, ist in aller Regel nur eine Einstufung als geheimhaltungsbedürftig ermessensfehlerfrei. Etwas anderes kommt allenfalls bei eindeutig rechtsmissbräuchlichen Anträgen in Betracht.

9. Für das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses genügt die Glaubhaftmachung der tatbestandlichen Voraussetzungen. Davon ist auszugehen, wenn nach freier Würdigung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht..

Siehe:

http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2023&Seite=0&nr=39123&pos=0&anz=34

VI.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss vom 20.9.2023, 12 Sa 90/20 – veröffentlicht am 3.10.2023

Schlagworte/Normen:

Nachtzuschläge - Aussetzung - Verfassungsbeschwerde - Gesamtabwägung - hinreichende Erfolgsaussichten

Leitsätze:

1. Bei Anhängigkeit einer Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG in einem Parallelverfahren kommt eine Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO in Betracht.
2. In die erforderliche Gesamtabwägung sind neben anderen Aspekten auch die Erfolgsaussichten der eingelegten Verfassungsbeschwerde einzubeziehen. Eine Verfassungsbeschwerde, die offensichtlich keine Erfolgsaussichten hat, kann nicht Grundlage einer Aussetzungsentscheidung sein.
3. Die gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Mai 2023 in der Sache 10 AZR 369/20 eingelegte Verfassungsbeschwerde ist nicht offensichtlich aussichtslos. Es bestehen insbesondere Zweifel daran, dass der objektive Sachgrund der "besseren Planbarkeit" bestimmter Formen von Nachtarbeit im Rahmen der Prüfung von Art. 3 Abs. 1 GG bei der unterschiedlichen Höhe von Nachtzuschlägen nur dann anzuerkennen sein soll, wenn er sich im Wege der Auslegung auch als subjektiver Differenzierungszweck der Tarifvertragsparteien darstellt.
4. Nicht die subjektive Willkür des Normgebers führt zur Feststellung eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, sondern die objektive Unangemessenheit der Norm im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, die sie regeln soll. Mängel der Motive begründen im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG für sich allein keine Verfassungswidrigkeit.

Siehe:

http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2023&Seite=0&nr=39120&pos=1&anz=34

VII.
Landesarbeitsgericht Köln
Urteile vom 15.9.2023, 4 Sa 382/23 (4 Sa 383/23, 4 Sa 384/23 und 4 Sa 385/23 gleichlautend)

Schlagworte/Normen:

Auslegung einer Betriebsvereinbarung; Arbeitszeitkonten; Betriebsrisiko

Leitsätze:

Ermächtigt eine Betriebsvereinbarung den Arbeitgeber einseitig dazu, ein bereits erarbeitetes Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto zu verwenden, um dem Arbeitnehmer künftig weniger Schichten zuteilen zu müssen, verschiebt diese Regelung in unrechtmäßiger Art und Weise das Betriebsrisiko auf den Arbeitnehmer, wenn der Arbeitnehmer nicht frei darüber entscheiden kann, ob und wie viele Schichten ihm zugeteilt werden.

Siehe:

https://www.justiz.nrw/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2023/4_Sa_382_23_Urteil_20230915.html

VIII.
Landesarbeitsgericht Köln
Urteil vom 10.08.2023, 6 Sa 682/22

Schlagworte/Normen:

Entgeltfortzahlung nach Eigenkündigung; Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung; Erschütterung des Beweiswertes

Leitsätze:

Zum (vergeblichen) Versuch der Arbeitgeberin, den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, die die Arbeitnehmerin nach Ausspruch einer Eigenkündigung überreicht hatte.

Siehe:

https://www.justiz.nrw/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2023/6_Sa_682_22_Urteil_20230810.html

IX.
Landesarbeitsgericht Köln
Urteil vom 12.09.2023, 4 Sa 12/23

Schlagworte/Normen:

§ 109 GewO
Leitsätze:

Darlegungslast bei Zeugnisberichtigung; Bindungswirkung eines Zwischenzeugnisses; Anspruch auf Verwendung des Geschäftspapiers
Siehe:
https://www.justiz.nrw/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2023/4_Sa_12_23_Urteil_20230912.html

X.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss vom 5.10.2023, 3 Ta 240/23

Schlagworte/Normen:

Energiepauschale; Rechtsweg

Leitsätze:

1. Für die Klage eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf Zahlung der Energiepreispauschale nach §§ 112 ff., 117 EStG ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten mangels bürgerlicher Rechtsstreitigkeit nicht eröffnet.
2. Eröffnet ist vielmehr, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Abgabenstreitigkeit handelt, bei der der Arbeitgeber lediglich als "Erfüllungsgehilfe" bzw. "Zahlstelle" der Finanzverwaltung fungiert, allein der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO.

Siehe:

https://www.justiz.nrw/nrwe/arbgs/duesseldorf/lag_duesseldorf/j2023/NRWE_LAG_D_sseldorf_3_Ta_240_23_Beschluss_20231005.html

XI.
Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil vom 24.08.2023, 15 Sa 1033/22

Schlagworte/Normen:

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall; Corona-Infektion eines nicht geimpften Arbeit-nehmers; Quarantäne; Monokausalität; Verschulden; Leistungsverweigerungsrecht

Leitsätze:

•1.
Ein an COVID-19 erkrankter Arbeitnehmer ist infolge Krankheit objektiv an seiner Arbeitsleistung verhindert, wenn er sich in Quarantäne begeben muss, es sei denn, der Arbeitgeber kann von ihm verlangen, im Homeoffice zu arbeiten. Die erforderliche Monokausalität iSv. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ist gegeben, wenn die behördlich angeordnete Quarantäne Folge einer Arbeitsunfähigkeit ist.
•2.
Für den Verschuldensmaßstab des § 3 EFZG ist nicht auf § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG abzustellen.
•3.
Ein Verschulden iSv. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ist nicht anzunehmen, wenn die Corona-Infektion durch die Inanspruchnahme der empfohlenen Schutzimpfung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte verhindert werden können (Verschulden vorliegend vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens Ende Dezember 2021 verneint).
•4.
Ein vorläufiges Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG besteht nicht, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Fortdauer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit anders als durch Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung nachweist.

Siehe:

https://www.justiz.nrw/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2023/15_Sa_1033_22_Urteil_20230824.html

XII.
Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil vom 23.08.2023, 9 Sa 538/22

Schlagworte/Normen:

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Entschädigung, Rechtsmissbrauch, Stellenanzeige, eBay-Kleinanzeigen

Leitsätze:

Bewirbt sich ein Mann auf eine bei eBay-Kleinanzeigen lediglich für Frauen ausgeschriebene Stelle unter besonderer Hervorhebung, dass es sich bei dem Bewerber um einen Mann handelt, sowie dergestalt, dass eine Absage provoziert wird, kann es sich im konkreten Einzelfall um rechtsmissbräuchliches Vorgehen handeln.

Siehe:

https://www.justiz.nrw/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2023/9_Sa_538_22_Urteil_20230823.html

XIII.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.06.2023, Az.: 10 Sa 762/22

Schlagworte/Normen:

Abmahnung; außerordentliche Kündigung; Ersatzmutterschaft; in-vitro-Fertilisation; Leihmutter; venire contra factum proprium; Kündigung Landeskirche beschäftigten Domkantors wegen Überlegungen zur Inanspruchnahme einer Leihmutterschaft in einem südamerikanischen Land; treuwidrige Kündigung nach vorausgegangenem Kündigungsverzicht
Leitsätze:

1.
Der Kündigungsberechtigte kann sowohl bei einer außerordentlichen als auch bei einer ordentlichen Kündigung auf ein auf bestimmte Gründe gestütztes und konkret bestehendes Kündigungsrecht verzichten. Der Verzicht kann ausdrücklich oder konkludent durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Kündigungsberechtigten erfolgen.
2.
Das Kündigungsrecht erlischt, wenn der Kündigungsberechtigte wegen des ihm bekannten Kündigungssachverhaltes eine Abmahnung ausspricht und sich die für die Kündigung maßgebenden Umstände nicht später geändert haben.
3.
Bei einem Verzicht auf die Kündigung ändert sich die Rechtslage hinsichtlich eines vorhandenen Kündigungsgrundes nicht. Der Verzichtende legt sich aber gegenüber dem Vertragspartner fest, aus einer ihm günstigen Tatsachenlage keine Konsequenzen zu ziehen. Eine Kündigung trotz Verzichts ist ein Fall unzulässiger Rechtsausübung iSv. § 242 BGB in der Form des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens.
4.
Zur Rechtfertigung einer späteren Kündigung kann der Arbeitgeber auf solche Gründe nur dann unterstützend zurückgreifen, wenn weitere kündigungsrechtlich erhebliche Umstände eintreten oder nachträglich bekannt werden.

Siehe:

https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/4b442452-769d-425f-90bb-d4e374cf95ae

XV.
Neu eingestellte Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein:


EinstelldatumAktenzeichenGerichtSchlagworteDatei
17/10/20236 Sa 106/22LAG Schleswig-HolsteinVergütung (erfolgsabhängige), Zielfestlegung, Dotierung, Leistungsgrad, Betriebliche Übung, Leistungsbestimmungsrecht, Mitbestimmung, LohngestaltungUrteil-6-Sa-106-22-28-06-2023.pdf
(376.8 KB)
17/10/20234 Sa 39 öD/23LAG Schleswig-HolsteinArbeitsunfähigkeit, krankheitsbedingt, Corona, Erkrankung, symptomloseUrteil-4-Sa-39 öD-23-06-07-2023.pdf
(382.5 KB)
17/10/20234 Sa 123 öD/22LAG Schleswig-HolsteinGleichstellungsbeauftragte, nicht-binäre Person, drittes Geschlecht, Diskriminierung, StellenausschreibungUrteil-4-Sa-123 öD-22-14-06-2023.pdf
(478.3 KB)
12/10/20236 Sa 202/22LAG Schleswig-HolsteinStellenausschreibung, Bewerbung, Betriebsratsmitglied, Benachteiligung, BeförderungUrteil-6-Sa-202-22-10-05-23.pdf
(389.2 KB)
10/10/20231 Sa 84/22LAG Schleswig-HolsteinFeststellungsklage, Elementenfeststellungsklage, Zulässigkeit, ZIelvereinbarung, ZIelprovision, Prämie, Betriebliche Übung, Individuelle Übung, Leistungsbestimmungsrecht, Konkretisierung, Betriebsrat, MitbestimmungUrteil-1-Sa-84-22-28-06-2023.pdf
(370.0 KB)
10/10/20231 Sa 107/22LAG Schleswig-HolsteinFeststellungsklage, Elementenfeststellungsklage, Zulässigkeit, ZIelvereinbarung, ZIelprovision, Prämie, Betriebliche Übung, Individuelle Übung, Leistungsbestimmungsrecht, Konkretisierung, Betriebsrat, MitbestimmungUrteil-1-Sa-107-22-28-06-2023.pdf
(294.2 KB)
10/10/20231 Sa 115/22LAG Schleswig-HolsteinFeststellungsklage, Elementenfeststellungsklage, Zulässigkeit, ZIelvereinbarung, ZIelprovision, Prämie, Betriebliche Übung, Individuelle Übung, Leistungsbestimmungsrecht, Konkretisierung, Betriebsrat, MitbestimmungUrteil-1-Sa-115-22-28-06-2023.pdf
(359.4 KB)
27/09/20235 Sa 200/22LAG Schleswig-HolsteinAltersteilzeit, Blockmodell, Vergütung, Freistellungsphase, TariferhöhungUrteil-5-Sa-200-22-15-06-2023.pdf
(429.4 KB)
27/09/20231 Sa 101/22LAG Schleswig-HolsteinFeststellungsklage, Elementenfeststellungsklage, Zulässigkeit, ZIelvereinbarung, ZIelprovision, Prämie, Betriebliche Übung, Individuelle Übung, Leistungsbestimmungsrecht, Konkretisierung, Betriebsrat, MitbestimmungUrteil-1-Sa-101-22-28-06-2023.pdf
(362.4 KB)

XVI.
Bundesgerichtshof
Beschluss vom 16. August 2023 - VII ZB 64/21

Schlagworte/Normen:

Unpfändbarkeit der Corona-Überbrückungshilfe III

Leitsätze:

1.Bei der Corona-Überbrückungshilfe III (Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, Soloselbständige und Angehörige der Freien Berufe, die in Folge der Corona-Krise erhebliche Umsatzausfälle erleiden) handelt es sich um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 399 1. Fall BGB nicht pfändbare Forderung.
2.Die Unpfändbarkeit der Corona-Überbrückungshilfe III setzt sich nach deren Überweisung nicht an der Gutschrift auf einem regulären Girokonto des Schuldners fort. Ist der Schuldner eine juristische Person, kann er sich insoweit nicht auf eine entsprechende Anwendung der für ein Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k ZPO geltenden Schutzvorschriften berufen; ihm steht lediglich im Einzelfallbei einer gegen die guten Sitten verstoßenden unzumutbaren Härte Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO zu.

Siehe:

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=7&nr=134703&pos=211&anz=1102

Mit besten Grüßen
Ihr

Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
VDAA – Präsident

VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.
Gerokstr. 8
70188 Stuttgart
Telefon: (0711) 3058 9320
Telefax: (0711) 3058 9311
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www.vdaa.de
 
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