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Martin Haas
MJH Rechtsanwälte
Werner-Haas-Str. 8
86153 Augsburg


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Fiktive Einkünfte des Geringverdieners, nicht so ohne weiteres BVerfG I-III

Reicht das Einkommen eines Unterhaltspflichtigen unter Wahrung seines Selbstbehalts nicht aus, um seine Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind in vollem Umfang zu erfüllen, können ihm grundsätzlich fiktiv die Einkünfte zugerechnet werden, die er erzielen könnte, wenn er eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit ausüben würde.

Das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 774/10; 1 BvR 1530/11; 1 BvR 2867/11)hat sich in den genannten Verfahren) mit den Voraussetzungen befasst, die an die Feststellung der Erwerbsfähigkeit und Erwerbsmöglichkeiten eines Unterhaltspflichtigen im Fall des zu leistenden Kindesunterhaltes zu stellen sind

Eltern haben gegenüber ihren minderjährigen Kindern eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese „bei gutem Willen“ ausüben könnte.

Auch im Rahmen der gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Erwerbsobliegenheit haben die Gerichte dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen und im Einzelfall zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen. Wird die Grenze des Zumutbaren eines Unterhaltsanspruchs überschritten, ist die Beschränkung der finanziellen Dispositionsfreiheit des Verpflichteten als Folge der Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor dem Grundrecht der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen.

Die Zurechnung fiktiver Einkünfte zur Begründung der Leistungsfähigkeit setzt zweierlei voraus: Zum einen muss feststehen, dass subjektiv Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners fehlen. Zum anderen müssen die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten objektiv erzielbar sein, was von seinen persönlichen Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiographie und Gesundheitszustand und dem Vorhandensein
entsprechender Arbeitsstellen abhängt. Gleichwohl bleibt Grundvoraussetzung eines jeden Unterhaltsanspruchs die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten.

MJH Rechtsanwälte, Martin J: Haas Rechtsanwalt meint: Diese Entscheidungen sind kein Freibrief für Geringverdiener keinen oder nur geringfügigen Kindesunterhalt zu leisten. Werden im Rahmen der Vertretung der rechtlichen Interessen eines Geringverdieners nicht die notwendigen Voraussetzungen festgestellt, anwaltlich erforderlichen Hinweise erteilt, oder fehlt der notwendige Sachverhalt in der Prozessakte werden weiterhin zulässigerweise fiktive Einkünfte geschätzt.
 
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