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Elisabeth Hoffmann
HOFFMANN & PARTNER
Avenue Louise 385/1
1050 Brüssel

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Das europäische Mahnverfahren und das europäische Bagatellverfahren

von Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Hoffmann, Brüssel

I.
Das europäische Mahnverfahren

Am 12.12.2008 tritt die EG-Verordnung 1896/2006 zum europäischen Mahnverfahren in Kraft. Dadurch wird die Möglichkeit eröffnet, für unbestrittene grenzüberschreitende Forderungen einen in allen EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Dänemarks anerkannten Vollstreckungstitel zu erlangen.

1.Anwendungsbereich

Das europäische Mahnverfahren kann in allen europäischen Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Dänemarks angewandt werden. In ihm können fällige, unbestrittenen Geldforderungen aus grenzüberschreitenden Zivil- und Handelssachen geltend gemacht werden.

2.Verfahren

Das zuständige Gericht im europäischen Mahnverfahren bestimmt sich nach den Regelungen der EG-Verordnung 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.

Es wird durch Antrag auf Erlass eines europäischen Zahlungsbefehls vor dem zuständigen Gericht eingeleitet. Der Antrag wird auf einem so genannten Formblatt A zu stellen sein, auf dem Name und Anschrift der Parteien, die geltend gemachte Forderung (gegebenenfalls mit Zinsen, Zinslaufzeit und Kosten), der Streitgegenstand, Beweismittel und Zuständigkeitsgründe anzugeben sind.

Der Antrag auf Erlass eines Zahlungsbefehls kann sowohl in Papierform als auch papierlos mit elektronischer Signatur gestellt werden.

Das Gericht soll sobald wie möglich, das heißt in der Regel binnen 30 Tagen über den Antrag entscheiden. Ist der Antrag vollständig und begründet, wird dem Antragsgegner vom Gericht beschieden, dass er entweder den geforderten Betrag zahlen oder bei dem Gericht, welches den Zahlungsbefehl erlassen hat, Einspruch einlegen kann.

Hält das Gericht Ergänzungen oder Berichtigungen für notwendig, erhält der Antragsteller eine angemessene Frist um die erforderlichen Erklärungen abzugeben. Wenn ein Antrag nur teilweise begründet ist, macht das Gericht dem Antragsteller einen Vorschlag zu einer inhaltlichen Änderung des Antrags. Wird der Vorschlag vom Antragsteller abgelehnt, wird der Antrag vom Gericht zurückgewiesen. Es bleibt dem Antragsteller jedoch vorbehalten, seine Forderung nach Maßgabe nationalen Rechts zu verfolgen.

Der Antragsgegner hat eine Frist von dreißig Tagen, um gegen den ergangenen Zahlungsbefehl Einspruch einzulegen. Unterbleibt der Einspruch innerhalb der genannten Frist, wird der europäische Zahlungsbefehl durch das zuständige Gericht für vollstreckbar erklärt. Der europäische Zahlungsbefehl wird in allen europäischen Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Dänemarks anerkannt und ist ohne ein besonderes Anerkennungsverfahren vollstreckbar.

Wird durch den Antragsgegner Einspruch erhoben, wird das Mahnverfahren in einen ordentlichen Zivilprozess nach den Regeln des zuständigen Mitgliedsstaates übergeleitet. Der Antragsteller kann sich jedoch vorbehalten, dass bei Einspruchserhebung das Verfahren beendet wird.

II.
Das europäische Bagatellverfahren

Am 01. Januar 2009 tritt die EG-Verordnung zur Regelung des europäischen Bagatellverfahrens in Zivil- und Handelssachen in Kraft (so genannte EG-Small-Claims-Verordnung). Die Verordnung schafft ein einheitliches europäisches Zivilverfahren in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks.

1.Anwendungsbereich

Im europäischen Bagatellverfahren können Geldforderungen aus grenzüberschreitenden Zivil- und Handelssachen bis zu einer Höhe von € 2000 geltend gemacht werden. In den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen auch Gegenforderungen bis zu einer Höhe von € 2000, die im Wege der Widerklage geltend gemacht werden können.

2.Verfahren

Das Verfahren nach der EG-Verordnung zum europäischen Bagatellverfahren wird durch Klageerhebung mittels eines Standardformblattes eingeleitet.

Erachtet das zuständige Gericht die Klage als zulässig, so wird sie dem Beklagten zugestellt. Dieser hat eine Frist von dreißig Tagen um auf die Klage zu antworten.

Das europäische Bagatellverfahren findet in schriftlicher Form statt, wobei die Korrespondenz mit dem Gericht in dessen Amtssprache geführt werden muss. Eine mündliche Verhandlung findet nur statt, wenn das Gericht sie für erforderlich hält oder eine Partei sie beantragt.

Bei fristgerechtem Eingang der Parteierklärungen hat das Gericht binnen dreißig Tagen eine Entscheidung zu erlassen.

Diese kann beinhalten:
ein Urteil, eine Aufforderung an die Parteien, weitere Auskünfte zu geben,
die Anordnung einer Beweisaufnahme,
die Ladung zu einer mündlichen Verhandlung.

Ein ergangenes Urteil ist sofort vollstreckbar und wird in allen Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Dänemarks ohne besonderes Anerkennungsverfahren anerkannt. Die Zulässigkeit von Rechtsmitteln richtet sich nach dem nationalen Verfahrensrecht des angerufenen Gerichts. Die Kosten des Verfahrens trägt die unterlegene Partei.

III.
Fazit

Durch das europäische Mahnverfahren und das europäische Bagatellverfahren wird die grenzüberschreitende Rechtsverfolgung von Geldforderungen aus Zivil- und Handelssachen erheblich erleichtert. Ein im Wege eines dieser Verfahren erstrittener Titel wird in allen EU-Mitgliedsstaaten anerkannt und kann ohne vorherige Vollstreckbarerklärung im betreffenden Mitgliedsstaat vollstreckt werden. Langwierige und kostenintensive Anerkennungsverfahren entfallen durch die Möglichkeiten der vorgestellten Verfahrensarten.

Die Autorin ist Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.

Für Rückfragen steht Ihnen die Autorin gerne zur Verfügung

Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Hoffmann
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