Neues Versicherungsvertragsrecht
Von Rechtsanwalt Bernold Schöbitz
Der deutsche Bundestag hat ein neues Versicherungsvertragsrecht verabschiedet. Er reagierte damit auf vielfältige Forderungen nach einer Modernisierung des deutschen Versicherungsvertragsrechts und insbesondere auf verschiedene Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, der manche bisher übliche Vertragsklauseln im Bereich der Lebensversicherung für unwirksam erklärt hat.
Das neue Gesetz wird zum 1. Januar 2008 in Kraft treten und für alle nach diesem Zeitpunkt geschlossenen Verträge gelten. Für Altverträge, d.h. für Verträge die vor diesem Stichtag abgeschlossen worden sind, findet bis zum 31. Dezember 2008 noch das alte Recht Anwendung, danach gilt auf für diese Verträge das neue Gesetz.
Für den Versicherungskunden bringt das Gesetz vielfältige Verbesserungen. So werden unter anderem die Versicherer nunmehr verpflichtet, den Versicherungsnehmer vor Abschluss eines Vertrages umfassend zu beraten und zu informieren und insbesondere diese Beratung zu dokumentieren. Im Streitfall erleichtert das dem Versicherungsnehmer die Beweisführung, dass er z.B. eine Versicherung nur wegen fehlerhafter Beratung abgeschlossen hat. Ferner entfällt das bisherige sogenannte alles oder nichts-Prinzip. Nach bisheriger Rechtslage hatte ein Versicherungsnehmer, der grob fahrlässig gegen vertragliche Pflichten etc. verstieß, von seiner Versicherung im Schadensfall nichts zu erwarten. Nach neuem Recht bemessen sich die Leistungskürzungen, zu denen die Versicherung berechtigt ist, nach der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers. Damit werden die Versicherungen zukünftig in der Regel außer bei absichtlicher Schadensherbeiführung wohl zumindest eine Schadensquote leisten müssen. Auch die bisherige Vorschrift des § 12 Abs. 3 VVG, nachdem der Versicherungsnehmer bislang seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung binnen 6 Monate gerichtlich geltend zu machen hatte, nachdem die Versicherung die Leistung schriftlich abgelehnt hatte, wird ersatzlos abgeschafft und es gelten zugunsten des Versicherungsnehmers die allgemeinen Verjährungsfristen.
Ebenso wird das Prinzip der Unteilbarkeit der Prämie abgeschafft. Bisher schuldete der Versicherungsnehmer auch dann die volle Jahresprämie, wenn der Versicherungsvertrag z.B. durch fristlose Kündigung seitens des Versicherers im Laufe des Versicherungsjahres endete. Zukünftig muss der Versicherungsnehmer die Prämie nur noch bis zu diesem Zeitpunkt zahlen.
Während diese genannten Änderungen sämtliche Versicherungszweige betreffen, werden weitere speziell für die Lebensversicherung eingeführt. Dies wohl aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung dieses Versicherungszweiges, nach Angaben der deutschen Versicherungswirtschaft bestanden in Deutschland im Jahr 2005 94 Mill. Lebensversicherungsverträge mit einem Beitragsvolumen von 72,6 Mrd. Euro, und der bereits erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
Erstmals wurde ein Anspruch auf Beteiligung an den stillen Reserven gesetzlich verankert und die Grundsätze für die Verteilung der Überschüsse geregelt. Ferner wurde festgelegt, dass der Rückkaufswert von Lebensversicherungen künftig nach dem Deckungskapital der Versicherung und nicht wie bisher nach einem von der Versicherungsgesellschaft in einem wenig transparenten Verfahren ermittelten Zeitwert zu berechnen ist. Der nach dem Deckungskapital berechnete Rückkaufswert fällt in der Regel höher aus als der bisher nach dem Zeitwert berechnete und das Rechenverfahren ist deutlich klarer und nachvollziehbarer. Ferner wurden die Versicherungsunternehmen verpflichtet, ihre Abschluss- und Vertriebskosten dem Kunden offenzulegen und diese Abschlusskosten künftig nach dem Vorbild der Riesterrente mit den Prämien der ersten fünf Versicherungsjahre zu verrechnen. Bisher wurden die Abschlusskosten bei den meisten Versicherungsgesellschaften mit den Prämien der ersten beiden Vertragsjahre verrechnete, so dass dem Versicherungsnehmer häufig kein Rückkaufswert verblieb, wenn der Vertrag bereits nach wenigen Versicherungsjahren beendet wurde.
Insgesamt stellt die Modernisierung des Versicherungsvertragsrechts eine Neuregelung dar, die insbesondere die Position des Versicherungskunden stärkt. Die Reaktion der Versicherungswirtschaft sowie die Umsetzung des neuen Rechts durch die Rechtsprechung bleibt abzuwarten.
Der Autor ist Mitglied in der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.
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