Justizia
 
 
Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart


I.
Der Geschädigte kann vom Schädiger nur die Wiederbeschaffungskosten
verlangen
BGH, Urteil vom 10.07.2007, AZ: VI ZR 258/06

Liegen die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur eines Kraftfahrzeugs mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert, so ist die Instandsetzung in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig und der Geschädigte kann vom Schädiger nur die Wiederbeschaffungskosten
Verlangen.

II.
Betriebsratskosten - Schulung - Unterbringung im Hotel
BAG, Urteil vom 28.03.2007, AZ: 7 ABR 33/06

1. Der Arbeitgeber hat gem. § 40 Abs. 1 BetrVG die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören auch die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das dort vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist

2. Zu den vom Arbeitgeber hierbei zu tragenden Kosten gehören neben den eigentlichen Seminargebühren auch die notwendigen Reisekosten sowie die notwendigen Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds. Nicht erstattungsfähig sind hingegen die Kosten der persönlichen Lebensführung, wie zB für Getränke. Daneben kann der Arbeitgeber bei der Erstattung der notwendigen Verpflegungskosten die Ersparnis eigener Aufwendungen des Betriebsratsmitglieds anrechnen

3. Besteht im Betrieb eine zumutbare allgemeine Reisekostenregelung, so ist diese auch für Betriebsratsmitglieder anlässlich der Teilnahme an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG verbindlich, wenn die Übernachtungs- und Verpflegungskosten vom Betriebsratsmitglied beeinflusst werden können. Eine andere Sichtweise verstößt gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG.
(Leitsätze der Schriftleitung)
III.
Dienstwagen, Herausgabe
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.02.2007, AZ: 10 Sa 2171/06

Ist ein Dienstwagen für die Dauer des Arbeitsverhältnisses auch zur Privatnutzung überlassen, rechtfertigt die Versetzung vom Außen- in den Innendienst keine Herausgabe des Pkw

IV.
Mangel beim Kauf eines Kraftfahrzeugs
BGH, Urteil vom 8. Urteil vom 18.7.2007, AZ: VIII ZR 259/06

Zeigt sich bei einem gebrauchten Kraftfahrzeug, das ein Verbraucher von einem Unternehmer gekauft hat, innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe an den Käufer ein Mangel (hier: defekte Zylinderkopfdichtung, gerissene Ventilstege) und können die dafür als ursächlich in Frage kommenden Umstände (Überhitzung des Motors infolge zu geringen Kühlmittelstands oder Überbeanspruchung) auf einen Fahr- oder Bedienungsfehler des Käufers zurückzuführen, ebenso gut aber auch bereits vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer eingetreten sein, so begründet 476 BGB die Vermutung, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war.

V.
Überstunden-Darlegungslast; Ausgleichsquittung
LAG Berlin-Brandenburg , Urteil vom 05.06.2007, AZ:12 Sa 524/07

1. Der anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber vorformulierte und vom Arbeitnehmer erklärte Verzicht auf alle bestehenden Ansprüche unterliegt als Hauptleistungsvereinbarung nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB keiner Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn er erkennbar selbständig und isoliert von einer Empfangsbestätigung unterzeichnet und nicht mit anderen Regelungen verbunden wird.

2. Ein solcher Verzicht verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn er nicht ausreichend klar erkennen lässt, welche Ansprüche erfasst sein sollen. Der Verzicht ist daher unwirksam.

3. Allein die bisherige Üblichkeit von Ausgleichsquittungen anlässlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen macht diese nicht zu "Besonderheiten des Arbeitsrechts" im Sinne von § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB.
(Leitsätze durch Schriflteitung ergänzt)

VI.
Kündigung wegen privater Nutzung des Internets während der Arbeitszeit.
BAG, Urteil vom 31.05.2007, AZ: 2 AZR 200/06

Nach der Rechtsprechung des Senats kommt als kündigungsrelevante Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten bei einer privaten Nutzung des Internets oder des Dienst-PCs u.a. in Betracht:

•Das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme ("unbefugter Download"), insbesondere wenn damit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des - betrieblichen - Systems verbunden sein könne oder andererseits von solchen Daten, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, beispielsweise, weil strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden;

•die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses als solche, weil durch sie dem Arbeitgeber möglicherweise - zusätzliche - Kosten entstehen können und der Arbeitnehmer jedenfalls die Betriebsmittel - unberechtigterweise - in Anspruch genommen hat;

•die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets oder anderer Arbeitsmittel während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet oder einer intensiven Betrachtung von Videofilmen oder -spielen zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seiner Arbeitspflicht nicht nachkommt und sie verletzt.

(Leitsätze der Schriftleitung)

VII.
Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen
BAG - LAG Rheinland-Pfalz , Urteil vom 01.03.2007, AZ: 2 AZR 217/06

1. Die Vorschrift des § 90 Abs. 2a SGB IX gilt nicht nur für schwerbehinderte Menschen, sondern auch für ihnen nach § 68 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen.

2. Nach § 90 Abs. 2a 1. Alt. SGB IX findet der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen dann keine Anwendung, wenn die Schwerbehinderung im Zeitpunkt der Kündigung nicht nachgewiesen ist.

3. Trotz fehlenden Nachweises bleibt der Sonderkündigungsschutz dagegen dann nach § 90 Abs. 2a 2. Alt. SGB IX bestehen, wenn das Fehlen des Nachweises nicht auf fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers beruht. Das Fehlen des Nachweises beruht nach dem Gesetz jedenfalls dann auf fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers, wenn er den Antrag auf Anerkennung oder Gleichstellung nicht mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt hat. § 90 Abs. 2a 2. Alt. SGB IX enthält insoweit die Bestimmung einer Vorfrist.

VIII.
Arbeitsleistung des Arbeitnehmers
BGH Urteil vom 19.04.2007, AZ. 2 AZR 78/06

1.Das Direktionsrecht erlaubt es dem Arbeitgeber, die Einzelheiten der zu erbringenden Arbeitsleistungen zu bestimmen, soweit diese nicht anderweitig geregelt sind. Sein Umfang bestimmt sich vor allem nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Es kann einzelvertraglich oder auch durch tarifliche Regelung innerhalb bestimmter Grenzen erweitert werden, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht. In Ausübung des ihm zustehenden Direktionsrechts ist der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, den Arbeitnehmer anzuweisen, die von ihm erbrachten Arbeitsleistungen zu dokumentieren. Allerdings ist der Arbeitgeber bei der Erteilung von Weisungen nicht frei. Soweit Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen ihm Spielraum für Weisungen lassen, muss der Inhalt einer Weisung "billigem Ermessen" entsprechen.

Bei Beantwortung der Frage, in welchem Umfang der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Dokumentation des Arbeitsergebnisses verlangen kann, bedarf es in erster Linie einer Überprüfung des mit der Weisung verfolgten Zweckes. Neben der Kontrolle des Arbeitsergebnisses durch den Arbeitgeber können Tätigkeitsaufzeichnungen auch sonstigen Zwecken dienen.

2.Findet auf ein Arbeitsverhältnis die Vergütungsordnung des BAT Anwendung, kann der Arbeitgeber auf die Erstellung konkreter Tätigkeitsberichte durch den Arbeitnehmer angewiesen sein, um eine zutreffende Eingruppierung zu gewährleisten, da sich die Eingruppierung der Angestellten gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 BAT nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung richtet.

(Leitsätze der Schriftleitung)

IX.
Betriebsrat - Überlassung eines PC
Urteil des BAG - LAG Hamm - ArbG Dortmund, vom 16.05.2007, AZ: 7 ABR 45/06

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber nach § 40 Abs. 2 BetrVG die Überlassung eines PC nebst Zubehör und Software nur verlangen, wenn er die Ausstattung mit diesem Sachmittel zur Durchführung seiner sich ihm stellenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben für erforderlich halten darf. Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn der Betriebsrat ihm obliegende Aufgaben mit Hilfe eines PC effektiver und rationeller erledigen kann als mit einem anderen ihm bereits zur Verfügung stehenden Sachmittel. Aus Effektivitätsgründen darf der Betriebsrat die Überlassung eines PC nur für erforderlich halten, wenn er ohne diese technische Ausstattung ihm obliegende Aufgaben vernachlässigen müsste.

X.
Geschäftsführer GmbH-Recht Insolvenz
Urteil des BGH - OLG Koblenz - LG Koblenz, 05.02.2007, AZ:II ZR 51/06

a.Die §§ 130 a Abs. 2 HGB, 64 Abs. 2 GmbHG verbieten dem Geschäftsführer grundsätzlich jegliche Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nach Eintritt der Insolvenzreife. Für den Ausnahmefall einer im Interesse der Masseerhaltung notwendigen Aufwendung ist der Geschäftsführer Darlegungs- und beweispflichtig.

b.Der Geschäftsführer muss sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft Klarheit verschaffen, bevor er einen Dritten mit aufwändigen Sanierungsbemühungen zu Lasten des Gesellschaftsvermögens beauftragt.

c.Die Schadensersatzverpflichtung gemäß § 130 a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 HGB zielt - ebenso wie die Ersatzpflicht aus § 64 Abs. 2 GmbHG - nicht auf Ersatz eines Quotenschadens, sondern auf Erstattung der verbotswidrig geleisteten Zahlungen ohne Abzug der fiktiven Insolvenzquote des befriedigten Gesellschaftsgläubigers

Der Autor Michael Henn ist Schriftleiter der mittelstandsdepesche und Mitglied in der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.

Für Rückrage steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung.

Michael Henn

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